Geh deinen Weg: Sawsan Chebli, Pere Poveda und Patricia Riekel im Interview
Das Programm „Geh deinen Weg“ fördert junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Wir sprachen mit den Mentorinnen Sawsan Chebli und Patricia Riekel sowie Stipendiat Pere Gonzalez Poveda über gelebte Chancengleichheit.
Initiiert wurde „Geh deinen Weg“ von der Deutschlandstiftung Integration – unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin a.D. Angela Merkel. Gefördert werden 200 Stipendiatinnen und Stipendiaten über einen Zeitraum von zwei Jahren. EDEKA ist Hauptsponsor und Partner des Programms.
Sawsan Chebli
Die Politikerin mit palästinensischen Wurzeln ist Staatssekretärin und Beauftragte für Bürgerschaftliches Engagement. Sie engagiert sich als Mentorin beim Programm „Geh deinen Weg“.Â
Pere Gonzalez Poveda
Der 24-jährige Spanier ist Einzelhandelskaufmann und hat das Stipendium „Geh deinen Weg“ absolviert. Er arbeitet seit 2013 im Ecenter Waldshut-Tiengen.
Patricia Riekel
Die Journalistin hat 20 Jahre lang die Chefredaktion der Zeitschrift „Bunte“ verantwortet und ist Herausgeberin bei Burda. Auch sie begleitet Stipendiatinnen und Stipendiaten des Programms „Geh deinen Weg“.Â
Was motiviert Sie, als Mentorinnen bei „Geh deinen Weg“ mitzuwirken?
Sawsan Chebli: Bei „Geh deinen Weg“ geht es ganz konkret darum, Chancen für junge Menschen zu schaffen. Ich finde, es gibt nichts Schöneres und Sinnvolleres, als ihnen Türen zu öffnen, sie in Netzwerke einzubeziehen und ihnen so den Weg in die Mitte unserer Gesellschaft zu ebnen.
Patricia Riekel: Ich wünsche mir, dass die Herkunft eines jungen Menschen in unserer Arbeitswelt keine Rolle mehr spielt. „Geh deinen Weg“ steht für gelebte Chancengleichheit. Und dieses Ziel unterstütze ich sehr gerne.
Pere Gonzalez Poveda
Wie haben Sie Ihre Zeit als „Geh deinen Weg“-Stipendiat erlebt, Herr Poveda?
Pere Gonzalez Poveda: Ich habe sehr viele Menschen kennengelernt, die mich ermutigt haben, meine Ziele zu verfolgen. Das hat mir „Geh deinen Weg“ klargemacht: Es zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hinwill. Während des Stipendiums habe ich Workshops besucht und habe zum Beispiel Markus Mosa, den Vorstandsvorsitzenden der EDEKA AG, sowie Christian Wulff, den ehemaligen Bundespräsidenten, kennenlernen dürfen. Als Mentor hat mich ein erfahrener Marktleiter eines EDEKA-Marktes begleitet.
Warum haben Sie Ihre Heimat 2013 verlassen?
Pere Gonzalez Poveda: Ich sah in Spanien keine berufliche Perspektive für mich. Als ich von dem Projekt „Job of my life“ gehört habe und der Möglichkeit, in Deutschland eine Ausbildung zu beginnen, habe ich nicht lang überlegt und mich beworben.
Hat es Sie nicht eingeschüchtert, dass Sie damals die deutsche Sprache noch nicht beherrscht haben?
Pere Gonzalez Poveda: Doch, und wie! Aber ich habe die Entscheidung aus dem Bauch raus getroffen und als ich von EDEKA die Zusage bekam, habe ich mich zu sehr gefreut, um jetzt noch einen Rückzieher zu machen.
Wie ist Ihre Erfahrung, Frau Riekel: Nehmen die jungen Menschen ihren Migrationshintergrund teilweise als Handicap wahr?
Patricia Riekel: Es wäre illusorisch zu glauben, dass es heute keine Vorurteile mehr gegenüber Menschen aus anderen Kulturkreisen gibt. Allerdings bin ich auch optimistisch: Derzeit betreue ich als Mentorin zwei beeindruckende junge Frauen. Ihre Eltern kommen aus dem Iran bzw. der Türkei. Ich bin begeistert, mit welchem Selbstbewusstsein die beiden Stipendiatinnen ihre Zukunft verwirklichen. Ihre Zuwanderungsgeschichte ist für sie keine Schwäche, sondern eine Stärke.
Frau Chebli, Integration ist keine leichte Aufgabe. Welche Erlebnisse oder Entwicklungen machen Ihnen Mut?
Sawsan Chebli: Am meisten machen mir all die jungen Menschen Mut, die voller Hoffnung zu uns gekommen sind und hier ihren Weg gehen und sich einbringen möchten. Und dann gibt es noch die anderen, die Mut machen: diejenigen nämlich, die sich engagieren und die die Potenziale und Möglichkeiten sehen. Wir müssen jungen Menschen helfen, ihre Begabungen zu entdecken und zu entfalten – egal, wo sie herkommen und wo ihre Eltern geboren sind.
Was hat sich beruflich für Sie in Deutschland verändert, Herr Poveda?
Pere Gonzalez Poveda: 2016 habe ich meine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgeschlossen. Im Ecenter Waldshut-Tiengen wurde mir die stellvertretende Leitung für den Bereich „Food“ anvertraut. Zudem werde ich in Kürze eine Weiterbildung absolvieren, um meine Kenntnisse zu erweitern.
Was bedeutet Integration für Sie persönlich?
Pere Gonzalez Poveda: Integriert zu sein, bedeutet, sich hier wohlzufühlen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn man selbst offen ist, die Menschen einem auch mit Offenheit begegnen.
Frau Riekel, durch Ihre Tätigkeit setzen Sie sich mit unterschiedlichen Kulturen auseinander. Was fasziniert Sie persönlich an kultureller Vielfalt?
Patricia Riekel: Andere Kulturen erweitern unseren Horizont. Sie helfen uns, alte Denkmuster zu verlassen und neue Sichtweisen zuzulassen. Alexander von Humboldt beschreibt das doch ganz wunderbar: „Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die der Leute, welche die Welt nie angeschaut haben.“
Frau Chebli, was bedeutet es für Sie, Zukunft zu leben?
Sawsan Chebli: Schon heute auf die zu setzen, die morgen Verantwortung tragen werden. Dazu gehören auch diejenigen, die in Deutschland eine neue Heimat suchen oder bereits gefunden haben. Sie sind eine Chance für Deutschland. Sie haben Fähigkeiten. Sie sind leistungsbereit. Sie hoffen auf eine bessere Zukunft. Sie werden gebraucht.