Selbstversuch: Bloggerin auf dem Demeter-Bauernhof
Harke statt iPad, Landlust statt Großstadt-Treiben:
Einen Tag lang hat Bloggerin Mia auf dem Heggelbachhof am Bodensee mit angepackt.
Warum sie Landwirtschaft heute mit anderen Augen sieht, verrät sie in ihrem Gast-Beitrag
4:30 Uhr. Mein Wecker klingelt, ich bin sofort hellwach und überrascht. Das erste Mal seit sieben Monaten werde ich nicht vom morgendlichen Gebabbel unseres Babys geweckt, sondern vom schon fast vermissten Wecker-Geräusch. Es muss früh sein, sehr früh. Nach einer erfrischenden Morgendusche und einer schnellen Tasse Kaffee brechen wir auf. Über Felder und Hügel, auf Landstraßen und Kieswegen bis hin zur Hofgemeinschaft Heggelbach. Wir kommen an und mein Smartphone zeigt 6:15 Uhr. Trotz dieser frühen Stunde scheint hier auf dem Hof der Tag bereits voll in Gang zu sein.
Mein Mann Thies begleitet mich mit seiner Fotokamera. Wir hören Landwirtschaftsmaschinen in der Ferne, die Türen und Fenster der Häuser stehen offen, hier erscheint ein Hund, dort eine Katze. Die Szenerie um uns herum wirkt wie aus einem Bilderbuch und entspricht meiner romantisch-abenteuerlichen Vorstellung vom Leben auf einem Bauernhof. Wir erkunden den Hof, wir rufen und suchen, weil unser Smartphone längst „Kein Netz“ anzeigt und stumm in unseren Hosentaschen auf einen Einsatz wartet. Heute werden wir es überhaupt nicht brauchen.
Noch wissen Thies und ich nicht, dass vor uns einige Stunden warten, in denen unsere Hände immer wieder zugreifen, anpacken, Heugabeln hochhieven und die Erde unter unseren Fingernägeln unsere Sehnsucht nach dem Guten und Schönen füttert. Wir sind gekommen, um dort mit anzupacken, wo wir gebraucht werden. Ein paar Stunden auf dem Hof sollen uns der Natur näher bringen. Den Pflanzen, den Früchten, den Kräutern, dem Gemüse und den Tieren. Wir erfahren, wie es sich anfühlt, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Wie es ist, trotz aller Mühe und allen Schweißes nicht immer die Wertschätzung zu erhalten, die man sich wünschen würde.
Wie es ist, die eigene Existenz in die Hände der Natur zu legen. Aber auch, wie schön es ist, selbstbestimmt zu arbeiten und wie zuversichtlich und zufrieden es macht, nach bestimmten Werten zu handeln. Wir alle brauchen jemanden, der uns lobt, unsere Arbeit schätzt und anerkennt. Wir brauchen dazu Richtwerte und Regeln, an denen wir uns orientieren können und die uns als Wegweiser dienen. Richtlinien wie jene des ältesten Bioverbands Deutschlands, Demeter e.V. Demeter-Landwirtinnen und -Landwirte bewirtschaften ihre Felder biodynamisch und fußen dabei auf dem landwirtschaftlichen Kurs des Anthroposophen Rudolf Steiner (1861–1925).
„Unsere Tiere sind wichtig für einen nährstoffreichen Boden unserer Felder!
Die Schweine und Kühe erhalten Futter, das wir hier anbauen.
Ihr Dung wird dem Boden wieder zugeführt, so entsteht ein Kreislauf.
Für uns gehören Nutztiere zu einem Bauernhof einfach dazu.“
Thomas Schmid ist Mitbegründer der Hofgemeinschaft Heggelbach.
Er hat sich dem Demeter-Verband auch deshalb angeschlossen, weil hier besonders hohe Richtlinien im Bezug auf das Wohl der Tiere gelten.
Die Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach
Die Hofgemeinschaft wurde 1986 gegründet, seit 2008 baut sie für „Unsere Heimat – echt & gut“ Kartoffeln, Zwiebeln, Sellerie und Zuckermais an. Der Hof im Landkreis Sigmaringen umfasst insgesamt 180 Hektar – davon 70 Hektar Grünland und 40 Hektar Feldgemüse. 48 Milchkühe und 120 Mastschweine werden auf dem Hof gehalten. Mehr zum Engagement von EDEKA Südwest für regionale Lebensmittel finden Sie hier.
Das weiche Licht des Morgens durchflutet den Traktor, als wir rechts und links neben dem Steuersitz von Azubi Felix sitzen. Es ist mittlerweile 9 Uhr und es riecht nach Land, nach Erde, nach Arbeit. Wir fahren vorbei an Maisfeldern, Kornfeldern und erreichen den Ort, wo die grünen Blätter des Selleries auf mehreren Hektar nach oben ragen. Es ist noch früh am Morgen und doch ist auf dem Hof schon einiges passiert: Die Kühe wurden mit frischem Gras versorgt, die Ställe ausgemistet und die großen Flächen mit Roter Bete, Sellerie & Co. wurden gepflegt und teilweise geerntet.
In dieser Arbeit, die sehr viel Zeit und Schweiß kostet, entdecke ich immer wieder das Schöne. „Das Schöne, welches man manchmal bei der ganzen Arbeit vergisst!“, bestätigen uns die Praktikantinnen und Praktikanten von der Waldorfschule, die vier Wochen lang auf dem Hof mitarbeiten. Es ist kein leichter Beruf, Landwirtin oder Landwirt zu sein. Dennoch spürt man, wie auf dem Heggelbachhof gemeinsam mit großer Freude einer wertvollen und lebensbejahenden Tätigkeit nachgegangen wird. Und immer wieder dieser eine Satz in meinen Ohren:
„Ihr könnt auch die Hände nehmen!“
Haben wir das in unseren Büros und Städten verlernt? Dinge wirklich mit der blanken Hand anzupacken?
Sellerie muss nicht mit Hacke und Schaufel geerntet werden. Ein bisschen lockern und er lässt sich bei trockenem Boden ganz wunderbar von Hand aus der Erde ziehen.
Ich nehme den Tipp an und erinnere mich, mit welcher Freude ich als Kind mit meinen Händen „gearbeitet“ und entdeckt habe. Wie schmutzig, aber glücklich wir abends nach Hause kamen und wie gut wir anschließend geschlafen haben. Vielleicht sollte das wieder ein kleiner Teil in unserem Alltag werden? Die körperliche Arbeit an diesem Tag macht mir nichts aus, auch wenn beim Schweinestall-Ausmisten Schweißperlen auf meinen Wimpern tanzen. Das gehört zum Alltag auf dem Hof. Vor allem wird mir aber der Wert von Lebensmitteln bewusst, die auf teils jahrhundertealten Höfen erzeugt werden. Diese Lebensmittel, die die Natur uns schenkt, gehören zum Elementarsten überhaupt. Und doch wird oft zu leicht vergessen, wie viel Arbeit und auch Überzeugung notwendig sind, um eine Ernte voller Sellerie und Roter Bete einzuholen.
Dankbar für diese Erfahrungen und das neue Wissen und mit dem Duft frisch geernteter Roter Bete in der Nase ziehen wir wieder stadteinwärts. Und mit einem wissenden Lächeln begegnen wir regionalen Lebensmitteln im Supermarkt auf ganz neue Weise.
Unser Blick reicht weit über die Felder, über Hügel und Wälder. Wir sehen weit und breit keine andere Menschenseele, doch trotzdem ist hier draußen alles voller Leben.
Lektionen von Mutter Natur
5 Dinge
die ich bei meinem Tag auf dem Bauernhof
fürs Leben gelernt habe
- Arbeit wird nicht nur am Lohn gemessen, es ist auch – oder vor allem – die Selbstbestimmung und Sinnhaftigkeit der Arbeit, die einen wertvollen Ausgleich bildet.
- Die anstrengende Arbeit ist es wert, denn sie ist ganz nah am Leben.
- Wir können nicht so weitermachen. Wir dürfen nehmen, aber müssen auch etwas zurückgeben.
- Auch wenn die Jahreszeit noch nicht für die Ernte bestimmt ist, beschenkt uns die Natur mit frischem Grün, mit frischen Farben und einem Geruch, der Erholung in sich trägt.
- In der Ruhe und Abgeschiedenheit des Landes sind wir dem Leben überraschend nah!
Mia Bühler
Mia Bühler ist ein echter Workaholic. Könnte sie es sich aussuchen, träfe man die Stuttgarterin aber mit den Füßen im Sand, dem Rücken an einer Palme und mit den Augen auf den Weiten des Ozeans – das iPad in Reichweite. Obgleich die 29-Jährige viel unterwegs ist – kulinarisch bleibt sie sich gern auch mal treu und liebt handgeschabte Spätzle mit Soß’ aus Papas Küche und regionales Gemüse. 2016 hat die „Uberding“-Bloggerin mit ihrem Geschäftspartner und Mann Thies ihre Beschäftigung noch weiter ausgebaut und ist glückliche Mama von Wonneproppen Neon. Auf dass das Leben noch bunter und wilder werde!