Schäferin Kerstin unterwegs auf der Schwäbischen Alb
Kerstin Wiedenmann-Riek nennt sie „meine Mädels“: 850 Merinolandschafe, mit denen sie gemächlich über die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb zieht. Der Familienbetrieb in Nattheim, den Kerstin gemeinsam mit ihrer Mutter Karin bewirtschaftet, gehört zu den wenigen Wanderschäfereien, die es heute in Deutschland noch gibt. Die Lämmer wachsen auf wie vor 100 Jahren. #zukunftleben hat die Schäferin besucht und mit ihr über ihren Arbeitsalltag, die Bedeutung von Tradition und wirtschaftliche Herausforderungen gesprochen.
Hündin Kira und Schäferin Kerstin sind ein eingespieltes Team: Wenn mehrere Hundert Mutterschafe und Lämmer lieber auf das frisch gesäte Feld vom Bauern nebenan wollen, als auf der vorgesehenen Weidefläche zu grasen, dann ruft Kerstin „Kira, Furche!“. Bei dem Kommando weiß die fünfjährige Altdeutsche Hütehündin sofort, was zu tun ist. Ausdauernd läuft sie in der Furche zwischen der Weide und dem Feld hin und her, um die Schafe zusammenzuhalten. „Von klein auf gab es keinen Tag, an dem ich nicht in der Schäferei gewesen bin“, erzählt Kerstin. Zusammen mit ihrer Mutter Karin bewirtschaftet die 22-Jährige den Schäfereibetrieb in Nattheim auf der Schwäbischen Alb. Tagsüber ist sie jedoch auf dem Hof nur selten anzutreffen: Mit den Mutterschafen und den Lämmern ist sie bei Wind und Wetter draußen unterwegs – mit einem Teil der Herde selbst im Winter. Solange kein Schnee liegt und die Schafe Futter finden. „Schafe sind wählerisch: Am liebsten mögen sie frisches Gras und Kräuter“, erzählt Mutter Karin. „Zusätzlich bauen wir unser eigenes Futtergetreide an.“
In den Fußstapfen des Großvaters
Enzian, Silberdistel
… und viele andere bedrohte Pflanzen wachsen auf den Wacholderheiden der Schwäbischen Alb, zusätzlich zum namensgebenden Wacholder. Seltene Wildbienen wie die grüne Schneckenhausbiene sind dort zu Hause. Durch jahrhundertelange Beweidung entstanden artenreiche Biotope, die ohne die Schafe wieder verschwänden. Sträucher und Gebüsche würden die kleinen lichthungrigen Pflanzen verdrängen – und damit auch die Tiere, die sich von ihnen ernähren.
Der ganze Stolz eines Schäfers: die Schäferschippe
Beim Hüten hält Kerstin Ausschau nach möglichst kerzengerade gewachsenem Schwarzdorn. Daraus wird die Schäferschippe hergestellt, ein unverzichtbares Multifunktions-Werkzeug jedes Schäfers. Wenn Kerstin zum Beispiel ein bestimmtes Schaf fangen möchte, weil es sich verletzt hat, hilft der kleine Haken: Mit diesem kann sie das Tier an den Beinen zu sich heranziehen.
Lammfleisch aus der Region
Seit mehr als 200 Jahren prägen Wanderschäferinnen und -schäfer die Schwäbische Alb: Die Schafe sorgen dafür, dass die einzigartigen Heideflächen nicht verbuschen. Durch die viele Bewegung und das frische Futter auf der Weide ist ihr Fleisch sehr zart und besonders fettarm. Um die traditionelle Schafhaltung in der Region zu erhalten, schlossen EDEKA Südwest Fleisch und die Lammfleischerzeugergemeinschaft Baden-Württemberg e.V. 2003 eine Kooperation: Sie gründeten das Markenprogramm „Württemberger Lamm“. Darin sind derzeit rund 80 Wanderschäferinnen und -schäfer der Region organisiert. Mit „Rheinland-Pfalz Lamm“ gibt es ein ähnliche Markenprogramm für andere Regionen.