Lebensraum für Insekten: Der Weinberg lebt!
Winzerinnen und Winzer vom Ortenauer Weinkeller schaffen im Rahmen des Projekts „Lebendiger Weinberg“ Lebensräume für Flora und Fauna. Sie zeigen, welche Artenvielfalt in den Reben möglich ist – und was wir gegen das Insektensterben tun können.
Admiral, Schwalbenschwanz & Co.
Schmetterlinge sind nicht nur wunderschön anzuschauen, für Ökologinnen und Ökologen sind sie darüber hinaus sogenannte Zeigertiere. Nur wenn viele, auch unterschiedliche, Schmetterlinge zu finden sind, ist das Ökosystem intakt. Das gilt insbesondere für den Admiral. Dieser seltene Wanderfalter, der den Winter in Südeuropa oder Nordafrika verbringt und seinen Weg bis über die Alpen zu uns findet, lässt sich von Mai bis Oktober bei uns beobachten. Die Weibchen legen ihre Eier an Brennnesseln ab, an deren Blättern sich die Raupen verpuppen. Ebenso auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen sind die Raupen des Schwalbenschwanzes, die sich von Wilder Möhre, Dill, Kümmel, Petersilie oder Weinraute ernähren.
Biene, Hummel & Co.
Keine Bienen – keine Blumen, kein Obst und auch keine Weintrauben. Das Bienensterben hat uns bewusst gemacht, wie wichtig die kleinen Insekten für unser Leben sind. Von 55 in Deutschland lebenden Mauerbienen-Arten, einer Wildbienen-Art, die Hohlräume wie Mauern bevorzugt, sind bereits über die Hälfte gefährdet. Deshalb ist nachhaltiger Weinbau umso wichtiger. Bienen und Hummeln bestäuben zahlreiche Pflanzen und Hornissen erbeuten vor allem Fliegen, nagen für ihren Nestbau abgestorbenes Holz ab und sind damit wichtige Regulatoren in der Natur. Vom Menschen kaum wahrgenommen, aber entscheidend für gesunde Pflanzen sind die allerkleinsten Insekten wie etwa Raubmilben oder Florfliegen. Sie vertilgen zahlreiche Schädlinge an den Reben.
Lavendel, Salbei, Zypressenwolfsmilch & Co.
Wissenschaftler sind besorgt: Seit 1989 ist in Teilen Deutschlands die Zahl der Insekten drastisch zurückgegangen. Ein nachhaltiger Weinbau fördert die natürliche Flora und Fauna. Zu den Pflanzen, die bei Insekten besonders beliebt sind, gehört der Lavendel. Sein süßer Nektar zieht unter anderem Schmetterlinge wie den Kleinen Fuchs oder Weißlinge und auch Bienen an. Ebenso begehrt sind Duft und Nektar von Salbei und Rosmarin. Diese ursprünglich mediterranen Pflanzen wurden von den Römern in unsere Breitengrade gebracht. Einzige Futterquelle des Wolfsmilchschwärmers, einer bedrohten Nachtfalter-Art, ist die Zypressenwolfsmilch. Sie gedeiht besonders gut zwischen den Trockenmauern im Weinberg und blüht von April bis Juli in hellem Gelb.
Das können wir gegen das Insektensterben tun:
5 Dinge
für einen insektenfreundlichen Garten oder Balkon
- Natürliche Fruchtfolge. Setzen Sie insektenfreundliche Pflanzen, die zu unterschiedlichen Zeiten Saison haben: Narzissen oder Anemonen im Frühjahr, Lavendel oder Salbei im Sommer und Ringelblume oder Kapuzinerkresse im Herbst.
- Rückzugsort. Legen Sie eine Trockenmauer oder einen Steinhaufen an. Dort können etwa Eidechsen oder andere kleine Reptilien Zuflucht finden. Auch umgedrehte Tontöpfe gefüllt mit Stroh bieten Schutz, etwa für Ohrwürmer oder Marienkäfer.
- Lehm, Sand und Holz. Ein insektenfreundlicher Garten ist nicht überall picobello aufgeräumt. Eine Schale mit Lehm und Matsch oder ein Stück totes Holz sind der optimale Lebensraum für Bienen und andere Insekten.
- Kleine Maßnahme, große Wirkung – ein Insektenhotel bietet vielen verschiedenen Insekten ein Zuhause, in dem manche Arten sogar überwintern können. Ein Insektenhotel kann man fertig kaufen oder selbst basteln, z. B. mit einem Tonziegel mit Löchern, zusammengebundenen Bambusröhren und einer mit Tannenzapfen gefüllten Kiste.
- Keine Chemie. Setzen Sie gegen Blattläuse lieber Brennnessel- oder Rhabarber-Sud ein. Pilzkrankheiten beugen Sie mit einem verdünnten Tee aus Knoblauch und Zwiebeln vor, mit dem die Pflanzen besprüht werden.
Mauereidechse, Blindschleiche & Co.
Trockenmauern und die traditionelle Hackbewirtschaftung, also das ständige Aufhacken des Bodens zwischen den Rebzeilen, schaffen einen wichtigen Lebensraum für wärmeliebende Reptilien. Die Mauereidechse etwa sieht man fast ausschließlich in den Weinbergregionen. Sie sonnen sich tagsüber auf den bis auf 70 °C aufgeheizten Oberflächen und tauchen blitzschnell ab, wenn man sie überrascht. Ist es kühler, ziehen sie sich in Mauerritzen und kleine Höhlen zurück. Mauereidechsen ernähren sich, wie die mit den Echsen verwandten Blindschleichen, hauptsächlich von Schnecken, Würmern und Ameisen. Die Population der Mauereidechsen ist stark zurückgegangen, die Eidechse wurde deshalb in die Liste der streng zu schützenden Arten aufgenommen.
Schwertlilie, Beifuß & Co.
Im Weinberg gibt es Bereiche, die – im Einklang mit den Reben – Platz für Gehölze, Sträucher und Blumen bieten. So lassen sich an den Wegkurven etwa Weinbergspfirsiche anbauen, an den Randflächen wachsen Weißdorn, Weinraute, Beifuß, Feldthymian oder Weg-Malve. Auch an den Enden der Rebzeilen gedeihen fast vergessene Arten wie Schwertlilie oder Kermesbeere. Und zwischen den Rebzeilen finden sich Traubenhyazinthen, Hirtentäschel, Wilde Tulpen oder sogar Feldsalat. Die Trockenmauern bieten Pflanzen wie der Fetthenne, der Mauerraute oder dem Zimbelkraut eine Heimat. Viele dieser Arten siedeln sich von selbst an und beleben die Weinberge von März bis Oktober mit ihren in unterschiedlichen Farben leuchtenden Blüten.
Rebhuhn, Bienenfresser & Co.
Wo Insekten leben, gibt es auch Vögel wie das Rotkehlchen, den Hautrotschwanz, den Feldsperling oder den eigentlich im Mittelmeerraum beheimateten, bunt schillernden Bienenfresser, der bei uns in milden Weingegenden wie dem Kaiserstuhl vorkommt. Aber nicht nur Vögel finden sich in einem nachhaltig bewirtschafteten Weinberg, sondern auch am Boden lebendes Getier wie das Rebhuhn. Das gedrungene, rostbraune bis hellgraue Feldhuhn brütet am Boden und drückt sich bei Gefahr flach auf die Erde. Durch seine perfekte Tarnung ist es so kaum zu sehen.
Nachhaltiger Weinbau: das Projekt „Lebendiger Weinberg“
Seit 2013 unterstützt der Ortenauer Weinkeller, ein Tochterunternehmen von EDEKA Südwest, das Projekt „Lebendiger Weinberg“. Hierbei pflanzen Winzerinnen und Winzer, wie zum Beispiel Petra und Klaus Ohnemus aus Ettenheim, und Vertreterinnen und Vertreter des Ortenauer Weinkellers sowie Expertinnen und Experten der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg heimische Kräuter und Stauden direkt in und an den Weinbergen an. Ziel ist es, die Artenvielfalt in den Weinbergen zu fördern und die heimische Flora und Fauna zu schützen. Damit leistet das Projekt „Lebendiger Weinberg“ einen aktiven Beitrag zum Schutz des Lebensraums von Schmetterlingen und anderer Lebewesen und wirkt darüber hinaus dem weltweiten Insektensterben entgegen.